20.03.2000

Leitende Angestellte sind häufig ohne Schutz im Kündigungsfall

Die Welt 20.03.2000

Oft ist jedoch strittig, bei welchen Arbeitnehmern die gesetzlichen Bestimmungen beim Rausschmiss entfallen - Befugnis zu Entlassungen kann entscheidend sein.

Nach der Freude über die Ernennung zum leitenden Angestellten kommt häufig für den Betroffenen bei einer späteren Kündigung das böse Erwachen. Er muss feststellen, dass er als leitender Angestellte nur begrenzte rechtliche Möglichkeiten hat, sich gegen die Kündigung zu wehren. Doch nicht jeder von seinem Arbeitgeber als leitender Angestellter bezeichnete Mitarbeiter erfüllt auch tatsächlich die rechtlichen Voraussetzungen.

Paragraf 14 Kündigungsschutzgesetz (KSchG) unterscheidet zwei Typen von Leitenden. In Absatz 1 ist die Gruppe genannt, die überhaupt nicht davon erfasst wird. Hierzu gehören zum Beispiel der GmbH-Geschäftsführer, der Vorstand einer Aktiengesellschaft oder Genossenschaft sowie vertretungsberechtigte Gesellschafter einer offenen Handelsgesellschaft und einer Kommanditgesellschaft. Diese Personengruppe genießt somit mit Ausnahme einer fristlosen Kündigung überhaupt keinen Kündigungsschutz. Sie ist daher rechtlich gut beraten, wenn sie schon bei Abschluss ihres Dienstvertrages eine Vereinbarung trifft, die die finanziellen Konditionen bei einem etwaigen Ausscheiden aus dem Unternehmen festlegt.

Da diese Organvertreter keine Arbeitnehmer sind, müssen sie Rechtsstreitigkeiten mit ihrem Unternehmen vor dem Zivilgericht und nicht vor dem Arbeitsgericht führen.

Bedingten Kündigungsschutz genießt die Personengruppe, die in Paragraf 14 Absatz 2 KSchG näher definiert ist. Hierunter fallen nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts Angestellte, die kraft ihrer leitenden Funktion maßgeblichen Einfluss auf die wirtschaftliche, technische, kaufmännische, personelle oder wissenschaftliche Führung einer Firma ausüben. Gesetzliche Voraussetzung ist weiter, dass der Betreffende entweder zur Einstellung oder Entlassung von Arbeitnehmern berechtigt ist. Dabei reicht es nicht aus, dass der Angestellte im Außenverhältnis eine entsprechende Vertretungsbefugnis hat. Er muss vielmehr auch im Innenverhältnis gegenüber dem Arbeitgeber selbstständig und eigenverantwortlich über die Einstellung oder Entlassung einer bedeutenden Anzahl von Arbeitnehmern entscheiden können.

Beispiel: Prokurist P. ist Personalleiter einer großen Versicherung mit 2000 Mitarbeitern und nimmt im Rahmen seiner Tätigkeit auch Einstellungen und Entlassungen vor. In dem Unternehmen hat der Vorstand jedoch durch eine schriftliche Anweisung festgelegt, dass sämtliche Einstellungen und Entlassungen dem Vorstand zur Entscheidung vorgelegt werden müssen.

In einem etwaigen Kündigungsschutzprozess könnte sich die Versicherung nicht darauf berufen, dass P. leitender Angestellter ist, da seine Einstellungs- und Entlassungsbefugnis im Innenverhältnis durch die Genehmigungserfordernis des Vorstandes eingeschränkt ist. Die Einstellungs- oder Entlassungsberechtigung muss einen wesentlichen Teil der Tätigkeit ausmachen. So genügt bloße vertretungsweise Wahrnehmung dieser Befugnisse für die Dauer einer Erkrankung oder eines Urlaubs des Personalleiters nicht.

Weiter muss sich die Berechtigung zur Einstellung oder Entlassung auf eine bedeutsame Anzahl von Beschäftigten beziehen. Aus diesem Grunde hat deshalb das Bundesarbeitsgericht bei einem Chefarzt, dessen Einstellungsbefugnis sich lediglich auf Medizinalpraktikanten bezog, die Einstufung als leitenden Angestellten verneint.

Zwar kann auch ein leitender Angestellter beim zuständigen Arbeitsgericht die Rechtmäßigkeit der Kündigung überprüfen lassen. Der Kündigungsschutz des Leitenden ist jedoch insoweit eingeschränkt, als der Arbeitgeber selbst bei einer rechtswidrigen Kündigung einen Antrag auf Auflösung des Arbeitsverhältnisses stellen kann.

Diesen Antrag braucht der Arbeitgeber nicht begründen. Gegen Festsetzung einer angemessenen Abfindung löst das Gericht das Arbeitsverhältnis auf. Der sachliche Grund für die leichtere Lösbarkeit des Arbeitsverhältnisses ist nach Auffassung des Gesetzgebers darin zu sehen, dass der Leitende in der Regel eine Vertrauensstellung innehat.

Der Arbeitgeber müsse daher erleichterte Voraussetzungen haben, das Arbeitsverhältnis zu beenden, wenn das Vertrauensverhältnis gestört ist. Als Abfindung kann das Gericht nach Paragraf 10 KSchG einen Betrag von bis zu zwölf Monatsverdiensten festsetzen. Sie kann sich für Arbeitnehmer,

- die das 50. Lebensjahr vollendet haben und bei denen das Arbeitsverhältnis mindestens 15 Jahre bestanden hat, auf einen Betrag bis zu 15 Monatsverdiensten,

- die das 55. Lebensjahr vollendet haben und bei denen das Arbeitsverhältnis mindestens 20 Jahre bestanden hat, auf einen Betrag bis zu 18 Monatsverdiensten erhöhen.

Über die Höhe der Abfindung entscheidet das Gericht nach billigem Ermessen. Berücksichtigt werden hierbei Lebensalter, die Dauer der Betriebszugehörigkeit und voraussichtliche Dauer der Arbeitslosigkeit.

Auch die Art der Kündigungsgründe sowie das Maß der Sozialwidrigkeit sind wichtige Faktoren für die Höhe der Abfindung. Umgekehrt können allerdings berechtigte Auflösungsgründe, die dem Leitenden zuzurechnen sind, zu seinen Lasten gehen. Der Leitende kann also bei Gericht unabhängig vom Vorliegen triftiger Kündigungsgründe gegen den Widerstand seines Arbeitgebers den Erhalt seines Arbeitsplatzes durch eine Abfindung entschädigen lassen.

Weitere Auswirkungen hat die Stellung als Leitender im Betriebsverfassungsgesetz, wobei an den Begriff eines leitenden Angestellten nach Paragraf 5 BetrVG zum Teil andere Voraussetzungen geknüpft sind als an den des KSchG. Das Betriebsverfassungsgesetz gilt für Leitende nicht, mit der Folge, dass beispielsweise ein zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat ausgehandelter Sozialplan für Leitende nicht zur Anwendung kommt. Anschließend bleibt jedoch festzustellen, dass es in der betrieblichen Praxis auf Grund der Leistungsstrukturen in den Unternehmen weniger "echte Leitende" gibt, als allgemein angenommen wird. Es lohnt sich daher auf jeden Fall, fachkundigen Rat einzuholen.

 
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