23.11.2013

Darf ich gekündigt werden, wenn es in Filialen Jobs gibt?

Hamburger Abendblatt 23./24.11.2013

Die Leserfrage: Ich arbeite Teilzeit für eine Kaffee-Kette. Da mein Standort geschlossen wird, haben meine Kollegen und ich eine betriebsbedingte Kündigung erhalten. Zufällig habe ich entdeckt, dass in einer Filiale aber neue Kollegen gesucht werden. Darf dann die betriebsbedingte Kündigung noch sein? Müsste mir nicht einer von den freien Jobs angeboten werden?

Das sagt Rechtsanwältin Silke Grage:  Nach Paragraf eins Kündigungsschutzgesetz ist eine betriebsbedingte Kündigung nur sozial gerechtfertigt und damit wirksam, wenn sie durch dringende betriebliche Erfordernisse, die einer Weiterbeschäftigung des Arbeitnehmers in dem Betrieb entgegenstehen, bedingt ist. Zunächst müssen Sie abklären, ob die Kollegen der Filiale, in der freie Arbeitsplätze vorhanden sind, bei demselben Arbeitgeber beschäftigt sind wie Sie. Nur wenn dies der Fall ist oder wenn die Filialen einen einheitlichen Betrieb nach den Grundsätzen des Bundesarbeitsgerichts bilden, können Sie sich auf die freien Arbeitsplätze berufen.

Sind diese Voraussetzungen erfüllt, ist Ihr Arbeitgeber nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 17.5.1984, 2 AZR 109/83) verpflichtet, Ihnen vor Ausspruch einer Kündigung einen freien Arbeitsplatz in der Filiale anzubieten. Dies ergibt sich aus dem sogenannten „ultima-ratio-Prinzip“, wonach ein Arbeitgeber nur dann kündigen darf, wenn alle anderen milderen Mittel ausgeschöpft sind. Die Kündigung Ihres Arbeitgebers wäre damit unwirksam.

Probleme können sich ergeben, wenn sich Ihre gekündigten Kollegen ebenfalls auf die freien Arbeitsplätze in der anderen Filiale berufen und dort aber weniger freie Arbeitsplätze vorhanden als für Sie und Ihre gekündigten Kollegen benötigt werden. In diesen Fällen hat Ihr Arbeitgeber nach Auffassung des Bundesarbeitsgerichts (Urteil vom 25.4.2002, 2 AZR 260/01) den Arbeitnehmern  nach den Grundsätzen der Sozialauswahl die Weiterbeschäftigung anzubieten, die am sozial schutzbedürftigsten sind. Hierbei hat er die Kriterien Dauer der Betriebszugehörigkeit, Lebensalter, Unterhaltspflichten und eine mögliche Schwerbehinderung des Arbeitnehmers zu berücksichtigen.

 
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