11.07.2015

Was wird nach dem Wechsel in Teilzeit aus dem Urlaub?

Hamburger Abendblatt 11./12.07.2015

Die Leserfrage: Eine meiner Mitarbeiterinnen hat bislang in Vollzeit in unserer Firma gearbeitet. Seit Juni hat sie ihre Arbeitszeit reduziert und arbeitet nur noch drei Tage in der Woche. Sie ist der Meinung, dass ihr der alte Urlaub aus ihrer Vollzeitbeschäftigung noch ungekürzt zusteht. Muss dieser Urlaub nicht anteilig entsprechend der Teilzeitbeschäftigung verringert werden?

Das sagt Rechtsanwältin Silke Grage: Früher hat das Bundesarbeitsgericht die Auffassung vertreten, dass bei einem Wechsel von Voll- in Teilzeit unter Verringerung der Wochenarbeitstage die Anzahl der dem Arbeitnehmer zustehenden Urlaubstage für das jeweilige Kalenderjahr insgesamt neu zu berechnen ist. Bei dieser Berechnung legte das Gericht die nach dem Wechsel für den Arbeitnehmer maßgebliche geringere Arbeitszeit zugrunde und kam dadurch zu einer nachträglichen Verringerung des Urlaubsanspruchs. Die Richter haben somit in der Vergangenheit Ihren Standpunkt geteilt.

Allerdings hat anschließend der Europäische Gerichtshof in einer Entscheidung festgestellt, dass diese Berechnung gegen EU-Recht verstößt, da hierdurch Teilzeitbeschäftigte diskriminiert würden. Dieser Rechtsprechung hat sich das Bundesarbeitsgericht nunmehr in seinem Urteil vom 10.2.2015 (9 AZR 53/14(F)) angeschlossen. Die Zahl der Urlaubstage darf also zukünftig nicht mehr rückwirkend wegen des Übergangs in eine Teilzeitbeschäftigung verhältnismäßig gekürzt werden, soweit ein Mitarbeiter seinen vor dem Wechsel erworbenen Urlaub zum Zeitpunkt des Wechsels noch nicht  oder noch nicht vollständig genommen hat. Trotz der derzeitigen Teilzeitbeschäftigung hat Ihre Mitarbeiterin somit noch einen vollen ungekürzten Urlaubsanspruch aus ihrer früheren Vollzeitbeschäftigung.

Um dieser nachteiligen Rechtsprechung zu entgehen, haben Arbeitgeber nur die Möglichkeit, betroffenen Arbeitnehmern vor ihrem Wechsel in die Teilzeit noch den Vollzeit-Urlaub zu gewähren, was aber in der Praxis aufgrund der betrieblichen Belange und der Interessen der Betroffenen nicht immer möglich sein wird.

 

 
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