Hamburger Abendblatt 12./13.08.2006
Tätlichkeiten am Arbeitsplatz können einem Arbeitgeber große Probleme bereiten. Um den Betriebsfrieden wieder herzustellen, ist er verpflichtet, umgehend zu reagieren.
Das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 6.10.2005 – 2 AZR 280/04) musste in diesem Zusammenhang über die Kündigung eines Bandarbeiters in der Automobilindustrie entscheiden. Ihm wurde vorgeworfen, eine gehörlose Kollegin geohrfeigt und mehrfach versucht zu haben, sie auf die Wange zu küssen. Der Kläger leugnete dies und war der Auffassung, dass es seinem Arbeitgeber zuzumuten sei, ihn innerbetrieblich auf einen anderen Arbeitsplatz umzusetzen.
Dem folgten die Richter aber nicht. Ein tätlicher Angriff auf einen Arbeitskollegen, wozu unzweifelhaft auch eine Ohrfeige gehöre, stelle eine schwere Verletzung der arbeitsvertraglichen Pflichten zur Rücksichtnahme auf die Rechte und Interessen des anderen Arbeitnehmers dar. Der Arbeitgeber sei nicht nur allen Arbeitnehmern gegenüber verpflichtet, dafür zu sorgen, dass sie keinen Tätlichkeiten ausgesetzt sind. Er habe auch ein eigenes Interesse daran, dass die betriebliche Zusammenarbeit nicht durch tätliche Auseinandersetzungen beeinträchtigt wird und Mitarbeiter verletzt werden. Der Arbeitgeber dürfe auch berücksichtigen, wie sich ein solches Verhalten auf die übrigen Arbeitnehmer auswirke, insbesondere wenn er keine personellen Maßnahmen ergreifen würde.
Wegen der Schwere der Pflichtverletzung sei eine vorherige Abmahnung nicht erforderlich gewesen. Aus dem gleichen Grund hielten die Richter auch eine Versetzung für unzumutbar.