10.09.2005

Bindung an Zeugnistext

Hamburger Abendblatt 10./11.09.2005

Jeder Arbeitnehmer kann bei Beendigung seines Arbeitverhältnisses von seinem Arbeitgeber ein qualifiziertes Zeugnis verlangen. Als Bewerbungsunterlage des Arbeitnehmers und Entscheidungsgrundlage für die Personalauswahl muss das Zeugnis inhaltlich wahr und zugleich von verständigem Wohlwollen gegenüber dem Arbeitnehmer getragen werden. Es darf daher dessen Fortkommen nicht ungerechtfertigt erschweren. Entspricht das erteilte Zeugnis nach Form und Inhalt nicht den tatsächlichen Anforderungen, hat der Arbeitnehmer einen Anspruch auf Berichtigung des Zeugnisses.

Der Arbeitgeber ist dann verpflichtet, dem Arbeitnehmer ein korrigiertes Zeugnis auszustellen. In einem neueren Urteil hatte das Bundesarbeitsgericht (Urteil vom 21.6.2005 - 9 AZR 352/04) über die Klage einer Arbeitnehmerin zu entscheiden, die das ihr erteilte Zeugnis wegen eines Rechtschreibfehlers und einer falschen Angabe ihres Geburtsortes ihrem ehemaligen Arbeitgeber mit der Bitte um Korrektur zurück gereicht hatte.

Das zunächst als „stets einwandfrei“ bezeichnete Verhalten der Klägerin beurteilte der Arbeitgeber in dem berichtigten Zeugnis nunmehr nur als „einwandfrei“. Dies akzeptierte die Klägerin nicht. Die Richter gaben ihr Recht. Bei der Erstellung des neuen Zeugnisses sei der Arbeitgeber an seinen bisherigen, vom Arbeitnehmer nicht beanstandeten Text gebunden. Eine Ausnahme greife nur für den Fall ein, dass dem Arbeitgeber nachträglich Umstände bekannt würden, die die Leistung oder das Verhalten des Arbeitnehmers in einem anderen Licht erscheinen ließe.
 
hmbr-grg 2024-11-21 wid-79 drtm-bns 2024-11-21