Hamburger Abendblatt 21./22.09.2002
Videoaufnahmen, die einen Arbeitnehmer einer strafbaren Handlung überführen, berechtigen einen Arbeitgeber nicht automatisch zur Kündigung des Arbeitsverhältnisses.
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Urteil vom 24.07.2001, AZ: 11 Sa 1524/00) hatte über die Wirksamkeit der Kündigung einer Abteilungshilfe zu entscheiden, die in einem Einzelhandelsunternehmen arbeitete. Das Unternehmen hatte mit seinem Betriebsrat vereinbart, wegen aufgetretener Warenverluste eine heimliche Videoüberwachung der Belegschaft einzuführen. Die Auswertung der Videoaufzeichnungen führte zu der Kündigung der Klägerin.
Nach Auffassung des Gerichts waren diese Aufzeichnungen aber rechtswidrig und durften daher von dem Unternehmen im Kündigungsschutzverfahren nicht verwertet werden. Arbeitgeber und Betriebsrat hätten die freie Entfaltung der Persönlichkeit der im Betrieb beschäftigten Arbeitnehmer, die hier verletzt worden sei, zu schützen. Eine Betriebsvereinbarung, die in rechtswidriger Weise dieses Recht der Arbeitnehmer auf freie Entfaltung der Persönlichkeit beschneide, sei unwirksam. Das Gericht nahm eine Güter- und Interessenabwägung vor um zu klären, ob dem Persönlichkeitsrecht der Klägerin gleichwertige und schutzwürdige Interessen des Unternehmens gegenüberstanden. Der allgemeine Hinweis des Unternehmens darauf, dass in der Vergangenheit Warenverluste entstanden seien und der Einsatz der versteckten Kameras die einzige Möglichkeit sei, die Täter zu ermitteln, war jedoch nach Meinung des Gerichts nicht ausreichend. Der Beobachtungserfolg hätte auch mit weniger weitreichenden Mitteln - etwa mit dem Aufstellen von sichtbaren Kameras - erreicht werden können. Zudem habe vor der heimlichen Videoaufzeichnung kein konkreter Verdacht gegen die Klägerin bestanden. Die Kündigung war daher unwirksam.